Deborah Feldman Unorthodox
Lesen Rezension

Deborah Feldman: Unorthox

Bei diesem Buch fällt es mir unglaublich schwer, meine Gedanken dazu zu sortieren. Ich hatte bereits im Frühling die Netflix-Serie dazu gesehen und fand sie unglaublich gut. Nun habe ich Anfang September das Buch gelesen und – obwohl ich ja die Geschichte schon kannte – hat es mich so in seinen Bann gezogen, dass ich es sehr, sehr schnell gelesen habe.

Worum geht’s?

Das wurde nun schon vielfach zusammengefasst. Es ist die autobiographische Geschichte von Feldman selbst, die in einer ultraorthodoxen, chassidischen Gemeinde in Williamsburg, New York aufgewachsen ist – und um ihre Flucht aus diesem engen Leben.

Wie fand ich es?

Ich finde es bezeichnend, dass sich das Leben der Satmarer auch räumlich auf so engem Raum abspielt: ein kleiner und irrsinnig voller Stadtteil einer der vollsten und engsten Städte der Welt – hier spielt sich Deborahs Leben ab. Sie wächst bei ihren Großeltern auf und das Leben der Satmarer ist geprägt von religiösen Regeln. Jeder Bereich des Lebens wird von der sehr engen sozialen Gruppe streng kontrolliert. Doch Deborah findet auch schon früh kleine Fluchten. Beispielsweise liest sie Bücher, die eigentlich verboten sind.

So ist jedem Kapitel im Buch ein Buch zugeordnet, das Deborahs Gedanken beeinflusst hat. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen und ich hatte direkt Lust, eine Unorthdox-Leseliste zusammenzustellen. Die Literatur ist letztendlich ihr Weg nach draußen – zunächst im übertragenen Sinne durch das Lesen der Romane, später dann ganz real durch ihr Studium und ihren Werdegang als Autorin. Das ist wirklich beeindruckend.

Religiöses Leben

Man erhält mit diesem Buch einen tiefen Einblick in eine Gesellschaft, die sich normalerweise fest verschließt vor Blicken von außen. Das ist erschreckend und interessant zugleich. Ich musste mir mehrfach in Erinnerung rufen: „Das ist heute. Das ist die Gegenwart. Und nicht irgendwo, sondern in New York – DEM Zentrum der Moderne.“ Beim Schauen der Serie kommt es einem teilweise so vor als würde man einen Historienfilm sehen, aber das ist es eben nicht.

Angesichts der Regeln bleibt einem mehr als einmal der Mund offen stehen. Das geht los bei den Regeln zu den Gebeten und Waschungen, zum koscheren Essen und natürlich die Regeln für Frauen, für ihre Reinheit, für das Eheleben und so weiter. Es ist einfach unglaublich, wie wenig Bedeutung dem Individuum beigemessen wird. Eigentlich keine. Das Individuum wird ausschließlich an seinem Wert für die Gemeinschaft gemessen. Und der liegt für die Frauen darin, Kinder zu gebären. Niemand fragt, ob sie das wollen – diesen Mann heiraten und unzählige Kinder kriegen. Das ist deine Bestimmung. Komm‘ klar! Um fair zu sein, auch die Männer müssen sich an Unmengen Regeln halten und dürfen nicht heiraten wen sie wollen. Aber für die Frauen scheint das alles noch eine Spur schärfer.

Wirklich geschockt haben mich die Regeln rund um die Midweh. Da dachte ich mir, puh, als wäre frau nicht schon gestraft genug mit ihrer Periode – dann auch noch das dazu!

Die genaue Beobachtung auch des privatesten Lebens fand ich aber am schlimmsten. Im Grunde gibt es keine Privatsphäre.

Der Weg nach draußen

Umso beeindruckender ist da, dass sie es wirklich schafft, sich daraus zu befreien. Man merkt von Kapitel zu Kapitel, wie ihr Geist offener wird, ihr Freiheitsdrang größer. Und es gibt auch kein Zurück mehr. Nach einem kleinen Stückchen Freiheit, ist das Eingesperrtsein umso schlimmer. Letztendlich ist es ihr Sohn, der den Ausschlag gibt. Sie will nicht, dass er so leben muss. Sie möchte, dass er wählen kann, dass er ein ganz normaler Junge sein kann.

Ich finde, man kann dieses Buch kaum rezensieren und schon gar nicht bewerten, weil es eine wahre Geschichte ist. Und was für eine! Es ist teilweise erschütternd, traurig, unglaublich und trotzdem hoffnungsvoll, positiv, ja triumphal!

Was bleibt ist eine unbändige Liebe zum Leben und zum Lesen!

5/5 Unbedingte Leseempfehlung
Ein unglaublicher Einblick in eine sonst verschlossene Gemeinschaft. Und die unglaubliche Geschichte einer Frau, die sich nicht damit abfinden konnte, still und leise Kinder in diese Gemeinschaft hinein zu gebären. Und der Bücher einen Weg in die Freiheit gezeigt haben.

Die Leseliste

  1. Roald Dahl: Matilda
  2. Chaim Potok: Die Erwählten
  3. Betty Smith: Ein Baum wächst in Brooklyn
  4. Jane Austen: Stolz und Vorurteil
  5. Louisa May Alcott: Little Women
  6. Pearl Abraham: Die Romanleserin
  7. Lucy Maud Montgomery: Anne auf Green Gables
  8. Nathan Ausubel: A Treasure of Jewish Folklore
  9. William Wordsworth: Sie war ein Trugbild der Beglückung

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